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Die
Hochheideflächen auf dem Osterkopf bei Usseln
Auf der Kuppe des 708 Meter hohen
Usselner Hausberges befindet sich eine Hochheidefläche, die mit den
angrenzenden Bergwiesen im Jahre 1982 in einer Ausdehnung von 30 Hektar
Fläche als Naturschutzgebiet ausgewiesen wurde. Der eigentliche Bereich
der Hochheide erstreckt sich über rd. 8 Hektar im Gipfelgebiet des
Berges. An bemerkenswerten Pflanzen sind dort neben der Besenheide,
Preiselbeere und Heidelbeere, Arnika, Deutscher Ginster, behaarter
Ginster, Kolbenbärlapp und der Alpenbärlapp zu finden. Weiterhin wachsen
dort die Blutwurz, das Harzer Labkraut, Borstgras, Dreizahn und
Drahtschmiele. Man findet auch Flechten und Moose, wie z.B.
Rentierflechte und isländisch Moos. Die tiefer liegenden Magerrasen
beherbergen den gewöhnlichen Thymian, die Kartäusernelke, die
Moschusmalve, mittleren Klee, kriechende Heuhechel, schwarze
Königskerze, Sonnenröschen, Taubenkopf, kleine Pimpinelle, Wundklee,
Färberginster und weitere Gewächse. Artenvielfalt und das Vorkommen von
Pflanzen der nordischen Tundra machen die Hochheide auf dem Osterkopf so
einzigartig und außergewöhnlich unter den Heideflächen Nord- und
Westdeutschlands.
Ja, und wie ist die Hochheide auf dem Osterkopf nun entstanden?Der
Osterkopf ist ein isoliert stehender Bergkegel im Klimabezirk
Nordwestdeutschland und im Klimabereich des Hochsauerlandes. Das Wetter
wird hier durch südwestliche und nordwestliche feuchte Meeresluftmassen
bestimmt. . Ein großer Teil der Luftfeuchte regnet sich zwar schon an
den westlich vorgelagerten Höhenzügen des Sauerlandes ab, die mittleren
Jahresniederschläge sind trotzdem mit 1.100 – 1.350 mm sehr hoch. Die
Höhenlage erklärt die vielen Niederschläge, deren Hauptanteil im Winter
fällt. Bis zu 100 Tage im Jahr ist der Boden mit Schnee bedeckt. Durch
das freie Gelände vor der Nordwestseite des Berges werden die
Windgeschwindigkeiten so verstärkt, dass der Wind die Vegetation
kurzhält und sogar Teile der Humusdecke ständig mit abträgt. Im Winter
treiben bei starkem Frost Stumböen die Eiskristalle über die Heide, so
dass der Bewuchs ständig ausgedünnt wird und Bedingungen wie in den
skandinavischen Tundren vorherrschen. Die mittlere Jahrestemperatur
liegt hier nur bei 6° C, einen Wert, den man auch in Südskandinavien
findet.. An rund 50 Tagen im Jahr ist der Osterkopf von Hochnebel
verhangen. Biologen gehen davon aus, dass der Nordwesthang des
Osterkopfes schon seit der letzten Eiszeit eine „Windheide" war, also
aus unserer zeitlichen Sicht der ursprüngliche Zustand und Bewuchs
weitgehend erhalten ist. Insbesondere das Vorkommen des Alpenbärlapps,
der hier noch eines seiner wenigen Verbreitungsgebiete hat, spricht für
eine seit der eis- und nacheiszeitlichen Tundrenzeit Mitteleuropas
andauernde Waldfreiheit dieser Teile des Osterkopfes. Die anderen
Bereiche des Berges mögen früher lichte Buchenwälder gewesen sein, wobei
die Buche in dieser Höhe in den Mittelgebirgen bereits an ihre
Verbreitungsgrenze stößt. Der Brennholzbedarf führte hier jedoch früh zu
Rodungen. Im Hochmittelalter wurde anscheinend bis hinauf zur Kuppe
Ackerbau betrieben. Nach der Aufgabe dieser Nutzung konnte sich die
Heide vom Nordwesthang über den gesamten Berg ausbreiten. Da im Upland
kaum genug Stroh als Stallstreu zur Verfügung stand, wurden weite Teile
der Heideflächen in den folgenden Jahrhunderten geplaggt, dass heißt die
oberste Schicht des Bodens wurde mit dem Bewuchs in „Frasen" abgehackt
und nach der Trocknung in die Ställe gefahren. Diese Flächen wurden erst
nach zwei Jahren zaghaft von Flechten, Moosen und Gräsern wieder
bewachsen, nach drei Jahren kam die Preiselbeere, die etwa bis zum 20.
Jahr nach dem Plaggen blieb. In der nun folgenden Zeit setzte sich mehr
und mehr wieder der ursprüngliche Heidebewuchs durch und erst dann
konnte diese Stelle wieder geplaggt werden. Dadurch verjüngte sich die
Heide auch an den Stellen, die nicht wie die Windheide am Nordwesthang
dem ständigen Abschliff durch das Wetter ausgesetzt waren, ständig. Nach
dem zweiten Weltkrieg wurde diese Nutzung der Heide jedoch bald
aufgegeben. In den folgenden Jahrzehnten wich die Heide auf dem
Osterkopf mehr und mehr zurück. Es kam nicht mehr zur Verjüngung der
Heideflächen; an den Stellen, die nicht voll dem Windeinfluß ausgesetzt
waren, setzten sich vielfach die Heidelbeersträucher durch; die Heide
selber wuchs höher, sie verbuschte, der Bewuchs erneuerte sich nicht.
Hinzu kam die Ansiedlung von Fichten und Kiefern, die durch Samenflug
aus benachbarten aufgeforsteten Geländen auf die Heideflächen kamen.
Fichten und Kiefern wurden erst ab der zweiten Hälfte des 18.
Jahrhunderts bei uns angepflanzt und sind keine ursprünglich
vorkommenden heimischen Gehölze. Sie sind aber den Buchen an extremen
Standorten überlegen, so dass sie sich auf den Heideflächen verbreiten
konnten, als durch das fehlende ständige Plaggen die jungen Bäume nicht
mehr einer regelmäßigen Entfernung unterlagen. Besonders die Ostseite
des Berges verwandelte sich innerhalb von kurzer Zeit in einen
Kiefernwald mit Heideresten. Erst zu Anfang der 70er Jahre erwachte das
Bewußtsein für die Einmaligkeit der vorhandenen Heideflächen und ihrer
Flora in der Usselner Bevölkerung, wobei die Anstöße dazu sicherlich zu
großen Teilen von außerhalb kamen. So machten Biologen und
Pflanzenspezialisten in Führungen und Vorträgen vor Ort auf die
Besonderheiten der Heide aufmerksam. Auch auf die Möglichkeit des
weiteren Zurückweichens der Heidefläche wurde hingewiesen. Im Jahr 1976
bestand sogar die Gefahr, dass Teile des Osterkopfes direkt unterhalb
der Kuppe in großem Stil mit Fichten aufgeforstet werden sollten. Was
das für die Heide bedeutet hätte, kann man sich ausmalen. Viele Leute
begriffen damals nicht den einmaligen Wert der kahlen Usselner
Bergkuppen mit ihrem Bewuchs. Die ursprünglich nicht heimische Fichte
bedeckt fast jeden Berg von Lüdenscheid im Westen, von der Soester Börde
im Norden bis zum Thüringer- und Frankenwald im Osten und Süden. Da
schien es verwunderlich, dass auch die letzten freien Bergkuppen von
Fichtenwald bestanden werden sollten. Die Bepflanzung konnte schließlich
abgewendet werden. 1978 begannen auf den Heideflächen Pflegemaßnahmen,
durchgeführt von einheimischen Mitgliedern des Sauerländischen
Gebirgsvereins mit fachlicher Unterstützung des Naturschutzringes
Nordhessen. Kiefern und Fichten wurden nach für nach in weiten Teilen
besonders des östlichen Gipfelbereiches gefällt und an Ort und Stelle
verbrannt. Erstmals seit dem zweiten Weltkrieg konnte der Baumbewuchs
wieder zurückgedrängt werden. Gleichzeitig wurde von der Abteilung
Usseln des Sauerländischen Gebirgsvereins und überörtlicher Gremien die
Ausweisung eines Naturschutzgebietes auf dem Osterkopf betrieben. Dies
führte zum Erfolg. Am 7. Januar 1982 wurden 30 ha per Verordnung des
Regierungspräsidenten in Kassel unter Naturschutz gestellt. Nun war die
Heide vor Aufforstungen sicher. Zentrale Frage aber war und blieb
weiterhin, ob und wie die Heideflächen in ihrer Substanz und Ausdehnung
erhalten werden können. Spielten neben der Überwachsung durch
standortfremde Baumarten und die fehlende Verjüngung der Heide durch
Streunutzung andere Gründe für die Vergrasung und Überalterung der
Heidepflanzen eine Rolle? War vielleicht auch der Schadstoffeintrag
durch Niederschläge für die fehlende Widerstandskraft der Gewächse
verantwortlich? Im Jahre 1986 wurde schließlich ein Pflegeplan im
Auftrag der oberen Naturschutzbehörde erstellt, der folgende Maßnahmen
zur Diskussion stellte: Abplaggen per Hand oder maschinell, Abschieben
der Streuauflage, Mähen mit dem Kreiselmäher, leichtes Fräsen,
kontrolliertes Brennen, Beweidung und Mahd. Eine Kombination dieser
Maßnahmen sollte das Hauptziel, einen Nährstoffaustrag, bewirken. Es
sollte also eine Humusbildung durch Verrotten der Altsubstanz verhindert
werden. Allerdings spricht der Pflegeplan von fehlenden oder wenigen
Erfahrungen und Untersuchungsergebnissen von früheren Einsätzen dieser
Erhaltungsmaßnahmen. Auf den Versuchsflächen des Sauerländischen
Gebirgsvereins am Kahlen Pön, auf denen 1975 sechs Parzellen
unterschiedlich behandelt wurden, und die sich noch heute (2003) in
ihrem Bewuchs von der Umgebung absetzen, hatte das traditionelle
Abplaggen der Heide den größten Erfolg gehabt. Letztendlich sollte am
Osterkopf aber durch Zusammenwirken all´ dieser Pflegemaßnahmen ein
Erhalt und eine Ausdehnung der Heideflächen erreicht werden. Und jetzt
haben wir das Jahr 2003 und wir sehen nach, was passiert ist. In den
vergangenen Jahren wurden in weiten Teilen des Naturschutzgebietes am
Osterkopf der Baum- und Strauchbewuchs schrittweise entfernt, wobei
einzelne Wetterbäume, für die Heide typische Krüppelkiefern mit ihren
vom Westwind zerzausten Ästen, und Wacholderbüsche belassen wurden. An
einigen Stellen wurde die ganze obere Humusschicht abgetragen. In
gewissen Abständen erfolgte die Beweidung durch Schafherden, die sich
besonders auch auf die angrenzenden Magerrasen erstreckte. Besonders im
nordwestlichen Bereich der Heide wurde dem Westwind wieder
uneingeschränkt Zutritt zur Bergkuppe gewährt, indem vorgelagerte
Schonungen abgeholzt wurden. Und das Ergebnis? Nun, wir sind Laien und
maßen uns keine wissenschaftliche Betrachtung des Erfolges der
Pflegemaßnahmen an. Wir bemerken aber, dass sich das Gesamtbild
verändert hat, dem Rückgang der Heideflächen wurde Einhalt geboten, der
Osterkopf präsentiert sich wieder ähnlich, wie wir es von alten Fotos
kennen, als weitgehend kahle Bergkuppe mit einzelnen typischen Bäumen.
Bei genauer Betrachtung sehen wir, dass sich die Heidepflanzen teilweise
wieder auf den freigelegten Flächen ansiedeln. Wir hoffen, dass den
Bemühungen um Erhalt und Ausdehnung der Heide auf dem Osterkopf Erfolg
beschieden ist, und uns diese einmalige Landschaft erhalten bleibt.
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